Die liebe Susepedia kommt mitunter bei ihrem Job recht viel herum – im Normalfall in Deutschland. Letzte Woche hat mich der Bahnstreik auf voller Linie erwischt. Ich war in Leipzig und Paderborn unterwegs und hatte viel Spaß, wieder nach Hause in meine schnuckelige kleine Großstadt zu kommen. Immerhin – ne Menge Zeit, um Blogs zu lesen…
Diese Woche ging es das erste Mal für mich in die Schweiz – nach St. Gallen. Als Mediävistin bin ich alleine bei der Ankündigung in die Knie gegangen. In der Stifsbibliothek des Klosters St. Gallen – das seit weit über 1000 Jahren nachgewiesen ist – lagern einige mittelalterliche Handschriften von unschätzbarem Wert. Abgesehen davon ist der Baroksaal der Bibliothek wahrscheinlich der schönste Bibliothekssaal der Welt. Wer mehr wissen will: *klick*
Natürlich brauche ich mir, als Germanistin a.D. ohne irgendein noch vorhandenes wissenschaftliches Backup, nicht ernsthaft Hoffnungen machen, mir die Handschriften anschauen zu können, mit denen ich mich im Studium so viel beschäftigt habe. Aber alleine zu wissen, dass die Nibelungenhandschrift B (Codex Sangallensis 857) dort liegt, nur wenige Meter neben mir, sorgsam verwahrt und liebevoll gepflegt… das macht mir echt eine Gänsehaut.
Nachdem Susepedia also gestern ihr berufliches Pflichtprogramm absolviert hat, ist sie heute in aller Hergottsfrühe durch die Stadt gezogen, um die Bibliothek zu besuchen – und was war? Geschlossen. JAHRESRESTAURATION. Vom 10.-30.11.! *gnaaaarf*
Und Berge gabs auch nicht zu sehen. Alles grau in grau – warum werde ich da auch mitten im November hingeschickt? *seufz* Aber immerhin gab es ein paar tolle Impressionen des mittelalterlichen Stadtkerns rund um die Klosteranlange – in der heute übrigens keine Mönche mehr beten und schreiben, sondern die kantonale Regierung und das Gericht ihren Sitz haben.
Immerhin habe ich ein paar Eindrücke dieses wirklich wunderbar erhaltenen Altstadtbereichs einfangen können.
Und auch die Stiftskirche selbst – der Kern des Klosterviertels – ist unfassbar beeindruckend. Ich glaube, ich war noch nie in einer derartig reich verzierten Kirche, die wirklich übervoll ist mit Schnitzereien, Bildhauerarbeiten, Malereien, Stuck, Blattgold… und ich habe noch nie einen derartig großen Altarraum gesehen, der den normalen Gläubigen nicht zugänglich ist. Er nimmt die halbe Länge der Kirche ein. Die Größe stammt daher, dass damals im vorderen Bereich die Mönche ihr Chorgestühl hatten, und davon gab es in St. Gallen eine ganze Menge.
Übrigens ist die jetzige Version der Kirche nicht die mittelalterliche, sondern stammt aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert. Wer mehr wissen will, dem sei das allwissende Wiki anempfohlen. *klick*
Ich hatte das Glück, morgens eine Andacht in der Kirche mitzuerleben, und es war unfassbar, welche Akkustik dieses Gemäuer entfaltete, als etwa 25 Personen im Gestühl ein Kyrie Eleison sangen. Ich möchte nicht wissen (oder doch, sogar sehr), wie es sich anhört, wenn dort das Gestühl voll besetzt ist und die zehn- oder gar zwanzigfache Zahl an Kehlen den Gesang in die hohen Hallen trägt.
Übrigens, um zu profaneren Dingen zurückzukehren: Die schlimmsten Anblicke in dieser Stadt, zu einer Uhrzeit, als noch fast alle Geschäfte geschlossen waren und das Frühstück im Hotel noch auf mich wartete, waren diese Schaufenster:
Mein Fazit der Reise: Um einige Eindrücke reicher und so manchen Franken ärmer. Hat sich aber gelohnt!