Ich liebe diesen Anblick… was das ist?
Frisch gewaschene Wäsche: Was soll daran so besonders sein?
Ganz einfach: Das ist keine Wäsche, das ist Stoff. Frisch vom Stoffhändler meines Vertrauens, noch roh und ungeformt, und ich werde es kraft meiner Hände, meiner Ideen und meiner Nähmaschine in etwas ganz neues verwandeln.

Eine Sache, die ich besonders an meinem Hobby Liverollenspiel liebe, ist die Kreativität, die sich rundherum entfaltet – jedenfalls bei mir, da ich zu jener Sorte Spieler gehöre, die sich ihre Gewandung und teilweise auch die Ausrüstung selbst herstellen.
Der Moment, in dem eine abstrakte Charakteridee Kontur gewinnt, ist bei mir unweigerlich der Moment, in dem sie visuell Gestalt annimmt, ein Gesicht bekommt. Da dieses Gesicht bei meinen Charakterfiguren zwangsläufig immer das gleiche ist (nämlich meins), ist es die Kleidung, die transportieren muss, wer dieser Charakter ist.
Ich bin ein großer Freund von Klischees im Rollenspiel. Die machen es nämlich dem Gegenüber leichter, den Charakter zuzuordnen, der da vor ihnen steht. Du spielst einen Elf? Dann erwarte ich feine Kleidung mit reichlich Verzierung, eine Lederrüstung oder allenfalls leichtes Metall, eine entsprechend filigrane Waffe und bitte einen halbwegs entsprechenden Körperbau (übrigens ein Grund, weswegen ich niemals eine Elfe spielen würde, so spannend ich sie finde). Du bist ein Ritter? Das nehme ich dir nur ab, wenn du entsprechende Kleidung und Waffen und eine Metallrüstung trägst (alles andere würde ich eher unter Krieger einsortieren), und vor allem: Wenn du dich entsprechend höfisch und ritterlich benimmst.
Natürlich ist es in der Realtität auf Larps nicht immer so klar und einfach, und mitunter sind nicht dem Klischee entsprechende Charaktere auch sehr interessant, aber erfahrungsgemäß ist das Zusammenspiel mit fremden Charakteren leichter, wenn man sich gegenseitig rasch darüber ins Bild setzen kann, was man denn eigentlich grade darstellt.
Also, als nun die Idee bei mir geboren wurde, das zu spielen, was da auf der Leine hängt, begann sich sofort ein Bild in meinem Kopf zu bilden: Eine Magierin, mit Schwerpunkt auf offensiven Zaubern, also Kampf. Affinität zu einem Element: Luft. Ich muss also eine Klamotte hinbekommen, die zum einen sagt „Magier“, zum zweiten „kann sich damit im Kampf bewegen“ und zum dritten „Luftaffinität“.
Also: Magier heißt in erster Linie Stoff, da es ein Kampfmagier sein soll, maximal noch eine leichte Lederrüstung. Ein „luftig“ aussehendes Stoffgewand ist nicht ganz einfach, denn man ist zu schnell beim Thema „feenhaft“ (durch zu viel Flatterstoff, also Spitze oder Crincle) oder „Schamane“ (durch zu viele Federn). Außerdem soll sie ja eine Kampfmagierin sein, das heißt, hier geht es weniger um „Luft“ als viel mehr um „Sturm“. Also nutze ich als Farben weiß, dunkelblau und (sturm)grau.
Da ich mal Lust habe, einen Charakter zu spielen, der ein bisschen körperbetont auftritt, ist das zentrale Element des Gewandes eine weiße Corsage mit Ornamenten. Dazu ein weißer, schlichter Leinenrock, der so weit ist, dass ich damit rennen kann. Eine luftige, schulterfreie Bluse aus Crincle, denn ich möchte obenrum nicht „nackig“ aus der Corsage gucken, denn wenn es mal hoch hergeht (wie gesagt, Kampfcharakter), möchte ich nicht drauf achten müssen, ob mir irgendwas irgendwo raushüpft. 😉
Und jetzt kommt die Kür, der Teil, der den Charakter unverwechselbar machen soll: Ein Schulterüberwurf, damit ich auch obenrum ein bisschen gewärmt werde und ein Überrock aus Gürtel und Stoffstreifen in Blau und Grau. Und während wir im Stoffmarkt stehen, kommen mir neue Ideen: Ein dunkelblauer Wollmantel mit geschlitzen Ärmeln, denn Abenteuercons sind nicht immer im schönsten Sonnenschein, die Kaputze mit weißem Baumwollstoff gefüttert. Ein Miederhemd, um eine Alternative zur Corsage zu haben, die einen nicht so einschnürt. Und mein Liebster verliebt sich in einen goldgelben Taft, den er als Futter für den Klappenmantel seines neuen Charakters verwenden will. Eigentlich war der Plan, seinen Priester bescheiden und schlicht erscheinen zu lassen. Aber schlicht können wir beide irgendwie nicht mehr… alles, was uns unter die Hände kommt, macht irgendeine geheimnisvolle Metamorphose durch, die uns vermittelt, was wir daraus entstehen lassen sollen.
Mit deutlich erleichterten Geldbeuteln verlassen wir den Laden. Die Köpfe voller Ideen. Das Wochenende wird anstrengend, das war uns klar. Wir würden messen, schneiden, fluchen, stecken, bügeln, schimpfen, nähen, schimpfen, auftrennen, umnähen und am Ende irgendwann sehr zufrieden mit dem sein, was unter unseren Fingern entstanden ist.
Das ist jedenfalls der Plan.